Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen
Erster Informationsaustausch
Bereits seit einigen Jahren setzen Waidhofens Gemeinderätinnen und Gemeinderäte am 25. November ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Mit dem Hissen der Fahne unterstützen sie die Aktion „Frei leben ohne Gewalt“, sprechen sich ganz klar für aktive Präventionsmaßnahmen und rasche Hilfe im Ernstfall aus. „Wegsehen ist keine Option“, sind sich alle Beteiligten einig und machen noch bis zum 10. Dezember mit einer Social Media-Aktion auf das Thema aufmerksam.
Im nächsten Jahr werden weitere Maßnahmen folgen: „Es wird mehr Aufklärung und Information geboten, unter anderem mit regelmäßigen Berichten in den Stadtnachrichten und einem eigenen Informationsständer im Bürgerservice“, erklärt Bürgermeister Werner Krammer. Außerdem will sich Waidhofen auch als Standort um das Projekt „Luisa ist hier“ bemühen. Dabei geht es um die Qualifizierung von Gastropersonal, insbesondere Nachtgastronomie im Bereich der Gewaltprävention. „Luisa ist hier“ ist ein Hilfsangebot für Frauen in der Partyszene, die Hilfe brauchen, um aus einer unangenehmen Situation heraus zu kommen. Durch das Stellen der Frage „Ist Luisa hier?“, weiß das geschulte Personal, dass Hilfe benötigt wird.
Im Rahmen einer Videokonferenz, die im Zuge der Aktion „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ stattfand, informierten sich die Waidhofner Gemeinderätinnen und Gemeinderäte beim Frauenhaus Amstetten, der Frauenberatung sowie beim Verein Neustart, einer Einrichtung für justiznahe Sozialarbeit. „Ein Austausch zu diesem wichtigen Thema mit Menschen, die tagtäglich mit und für Opfer und Täter von Gewalt arbeiten, zeigt uns als Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertretern erneut ganz klar, dass wir hier als Gesellschaft und auch vonseiten der Politik noch einiges zu tun haben. Darum begrüße ich persönlich die aus dem Meeting hervorgegangene Informationsoffensive in Waidhofen. Im nächsten Schritt ist es wichtig, dass wir uns als Stadt noch genauer überlegen, wie wir Gewalt verhindern und vor allem Frauen und Mädchen davor schützen können. Mit der Umsetzung eines Projektes wie ‚Luisa ist hier‘ könnten wir ein erstes starkes Zeichen setzen und für mehr Sicherheit im Nachtleben und in der Gastronomie in Waidhofen sorgen", so Gemeinderätin und Mitinitiatorin Katharina Bahr.
Ebenfalls in der Videokonferenz informierte Sicherheitsgemeinderat Heinz Dötzl über die Arbeit der Polizei und wichtige Anlaufstellen. Unter den Zuhörern fanden sich Vertreter des Jugendzentrums Bagger sowie die Jugendberatung Jusy.
Grundsätzlich werde Gewalt in drei Kategorien unterteilt: häusliche Gewalt, Generationengewalt und sexuelle Gewalt.
„Wir begleiten Frauen raus aus der Gewaltbeziehung“, berichten Magdalena Weilguny und Ursula Kromoser-Schrammel vom Frauenhaus Amstetten. Rund um die Uhr werden dort Hilfesuchende aufgenommen. 8 bis 10 Frauen und ihre Kinder, die von Gewalt betroffen sind, können im Frauenhaus Zuflucht finden. Die Frauen erhalten dort psychosoziale und rechtliche Beratung, Begleitung zu Behörden, Polizei, Gericht und Unterstützung bei der Arbeits- und Wohnungssuche. Im Jahr 2020 haben im Frauenhaus Amstetten 43 Frauen und 45 Kinder gelebt. Frauen mit berührenden Schicksalen kommen im Frauenhaus zusammen mit den unterschiedlichsten Geschichten. Ein Film, der anlässlich 30 Jahre Frauenhaus gedreht wurde, gab einen kurzen Einblick.
Im Laufen ist derzeit das Projekt „Stopp gegen Partnergewalt“, das in der Nachbarschaft ansetzt. „Es geht darum nicht wegzuschauen, sondern zu helfen“, erklären die Frauenhausmitarbeiterinnen.
Enge Zusammenarbeit wird mit der Frauenberatung gepflegt. Christine Ressl ist bei der Frauenberatung tätig, die seit 32 Jahren in Amstetten ansässig ist. Schwierigkeiten im Leben sind ihr Beratungsmetier, vielfach geht es um Scheidung, auch ohne Gewalterfahrungen, um finanzielle Unterstützung: „Wir bieten immer einen Weg an.“ Frauen ab 14 Jahren werden dort beraten. Aufklärung sei wichtig. „Beim Thema Gewalt ist es für viele auch schwer einzuordnen: Wo fängt sie an, wo hört es auf?“, berichtet Christine Ressl. Neben Prozessbegleitung, wird auch Gewalt- und Extremismusberatung angeboten.
Der Verein NEUSTART ist seit Jahrzehnten im Bereich der Straffälligenhilfe (u.a. Bewährungshilfe) tätig.
Seit 01.09.2021 müssen Personen, gegen die ein Betretungs- und Annäherungsverbot verhängt wurde, eine verpflichtende sechsstündige Gewaltpräventionsberatung bei der Beratungsstelle für Gewaltprävention absolvieren. Innerhalb von fünf Tagen nach Verhängung muss sich der/die Gefährder melden und bekommt einen Ersttermin zugeteilt, der spätestens innerhalb von vierzehn Tagen stattfinden muss. Die Ziele sind ein sofortiger Gewaltstopp, Krisenintervention und Stabilisierung, Risikoeinschätzung, Gewaltarbeit sowie Förderung einer Veränderungsmotivation und Weitervermittlung an eine geeignete Nachbetreuungseinrichtung. Wichtig ist weiters die Kooperation mit den Opferschutzeinrichtungen und den Sicherheitsbehörden, u.a. bei sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen und Gefahr in Verzug. „Oft ist es ein Türöffner, wenn Männer zu uns kommen müssen“, sagt Alexander Grohs. „Eine Verhaltensänderung kann man nicht erzwingen, aber auch eine verpflichtende Beratung kann Motivation sein.“
Sicherheitsgemeinderat Heinz Dötzl hat Erfahrungen mit dem Thema durch seinen Beruf als Polizist. „Wichtig ist, dass um Hilfe gefragt wird, in Notfällen auch 133 gewählt wird“, so der Gemeinderat.
In der Gesellschaft brauche es rundum eine O-Toleranz von Gewalt, sind sich die Experten einig – weg von Verharmlosungen, Witzen am Stammtisch. „Man muss sich auch als Mann sagen zu trauen, das finde ich nicht lustig, das sehe ich anders, hier distanziere ich mich“, sagt Alexander Grohs.
Aufrüttelnde Fakten und berührende Erzählungen führten zu vielen Fragen nach den Vorträgen der Experten. Von der Finanzierung, der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Einrichtungen bis hin zum Einfluss von Corona. Der Lockdown werde von den Beratungsstellen als „Ruhe vor dem Sturm“ erlebt. „Corona spitze die Lage aufgrund der Vielfachbelastung zu“, sagte Christine Ressl von der Frauenberatung.
Aber auch der digitale Raum ist ein Ort, an dem es noch mehr Aufmerksamkeit braucht, „dort passieren Übertretungen quasi rund um die Uhr“, sind sich die Expertinnen und Experten einig.
Präsentation: Beratungsstellen für Gewaltprävention
Hilfe und Unterstützung gibt es hier:
https://frauenhaus-amstetten.at/
https://www.neustart.at/at/de/unsere_kontakte/niederoesterreich/