Eingemeindung
Das wichtigste Ereignis der jüngeren Lokalgeschichte
Matthias SetteleDer Tod des Alt-Landeshauptmannes Andreas Maurer am 25. Oktober 2010, verschiedene Gedenkveranstaltungen und Rückblicke anlässlich seines Ablebens, Interviews und Kommentare über diese zeitgeschichtliche Umgestaltung sowie aktuelle Diskussionen über das Dauerthema Verwaltungsreform und das Jubiläum „Vierzig Jahre Eingemeindung“ rechtfertigen es, wieder einmal die Beweggründe, Chancen und Möglichkeiten einer Strukturbereinigung und einer großen Kommunalreform in Erinnerung zu rufen.
Strukturanpassung – ist nicht nur eine legistische Maßnahme, ist nicht nur ein Akt der Administration. Veränderungen betreffen immer Menschen, betreffen immer lokale und traditionell gewachsene Emotionen, betreffen einfach ganz persönliche Gefühle. Denn Zell, Windhag, Konradsheim, St. Georgen und Leonhard, das sind und waren keine abstrakten Gebilde, das waren und sind Gemeinschaften, das ist Leben, das ist Vergangenheit, Geschichte, kulturelles Erbe und lebendige Gegenwart.
Und wenn in diesen Organismus eingegriffen wird, wenn es auf einmal heißt, gleichsam vorahnend schon, es soll zusammenwachsen, was zusammen gehört oder nach dem Willen des Gesetzgebers oder der Parteipolitik zusammengehören soll, dann ist gefordert, nicht zu zerschlagen, nicht zu dekretieren und zu erpressen, die Bedenken hinwegzufegen, dann gilt es behutsam zu sein, dann muss man hinführen, Vertrauen schaffen, aufeinander zugehen, Brücken schlagen von Mensch zu Mensch, Brücken schlagen in unserem Fall von Stadt zu Land und umgekehrt. Doch blicken wir auch ein wenig in die zeitgeschichtliche Vergangenheit.
Die Vorgeschichte
In seinem Aufsatz über die Konstituierung der Ortsgemeinden Niederösterreichs im Auftrage des Statthalters in Niederösterreich und mit Benützung der amtlichen Quellen hat Archivdirektor A. Starzer schon 1904 über die Zusammenlegung von Rotten und Gemeinden nachgedacht. Grundlage der Überlegungen ist die Konstituierung der Ortsgemeinden von 1849 - 1864, vor allem aber das Hauptstück des Landesgesetzes, LGBL1904,Nr.76 . Die Suche nach territorialen, administrativen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten bei der Erstellung einer neuen Wahlordnung hat die Standpunkte der öffentlichen Rücksicht auf den Plan gerufen. Schon im Jänner 1910 erwägt ein Bericht des Landesausschusses des Erzherzogtums Österreich unter der Enns die Vereinigung der Ortsgemeinde Zell/Ybbs und von Teilen der Ortsgemeinde Windhag sowie die Erlassung eines neuen Statuts und einer neuen Gemeindewahlordnung. Die Problematik wird von einer Delegation des Landes untersucht. In den Beilagen zu diesem Bericht über die Angliederung von Gemeinden und Gemeindeteilen an die Statutarstadt Waidhofen /Ybbs wird eine Einnahmen – Ausgaben-Rechnung der Jahre 1906-1908 sowie der Voranschlag der Stadt für das Jahr 1910 präsentiert.Der 1. Weltkrieg, die 1. Republik mit ihren wirtschaftlichen und politischen Folgen und schließlich der sog. Anschluss und die Herrschaft des Nationalsozialismus verändern die Lage radikal und total.
Schon in seinem 1. Stadtbrief hat der damalige NS-Bürgermeister Emmerich Zinner einen Stadterweiterungsplan von Waidhofen /Ybbs und Zell vorgelegt. Da heißt es auszugsweise : “Wenn nun von einer staatlichen Behörde ein Plan für Waidhofen /Ybbs hergestellt wurde, der fast eine Verdopplung der Einwohnerzahl zulässt, so bedeutet das, dass man von Waidhofen eine Entwicklung erwartet, die sich ganz außerordentlich über den normalen Durchschnitt der anderen Städte des Gaues erhebt.“
Nach der Aufhebung des Statuts und der administrativen Einbindung Zells während des Krieges beschließt der Gemeinderat am 17 .Juni 1946 einstimmig, die Verwaltung der Marktgemeinde Zell mit 30. Juni 1946 einzustellen. An diesem Tag wird übrigens die Stadtgemeinde Waidhofen /Ybbs wieder zur autonomen Stadt und erhält somit das im Jahre 1869 von Kaiser Franz Josef verliehene Statut zurück, während für Zell ein provisorischer Gemeindeverwalter, Artur Zar, ein General a.D. eingesetzt wurde. Trotzdem hat es wieder im Jahre 1948 Bestrebungen gegeben, Zell in die Stadtgemeinde zu integrieren, freilich ohne Zell- Arzberg, das eine Eingemeindung am 26. Oktober 1948 strikt abgelehnt hat. Jahre später, am 1. Jänner 1970, sollte es dann doch zunächst zu einem Zusammenschluss von Zell und Zell-Arzberg (6,51 km²) kommen.
Konkrete Überlegungen
Die Voraussetzungen über die Gemeindezusammenlegungen bot das niederösterreichische Raumordnungsgesetz vom Jahre 1968, LGBL Nr.275, vor allem aber auch die neue Gemeindeordnung, die seit 31. Dezember 1965 in Kraft getreten war. Sie hat die Gemeindeautonomie ganz wesentlich gestärkt. Die Anzahl der Gemeinden sollte also von 1652 bis 814 und dann auf ca. 500 zurückgehen. Heute haben wir in Niederösterreich 573 Gemeinden.In einem Sonderdruck der Amtlichen Nachrichten wird die Gemeindezusammenlegung so begründet: „Viele dieser Klein -und Kleinstgemeinden waren so finanzschwach, dass sie mit eigenen Mitteln nicht einmal den ordentlichen Haushalt ausgleichen konnten, geschweige denn, dass man in solchen Gemeinden an die Errichtung von modernen kommunalen Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Kanalisation, Wasserleitungen, Sportstätten usw. denken konnte.“ Als Anreiz für eine freiwillige Vereinigung von Gemeinden bis Ende 1970 hat die nö. Landesregierung gleichsam eine Prämie in Form von Erlassung der halben Landesumlage auf die Dauer von 5 Jahren gewährt, außerdem waren abgestufte Bevölkerungsschlüssel für Statutarstädte in Aussicht gestellt.
Die Finanzkraft der Stadt Waidhofen, so die weitere Argumentation, übertreffe die Finanzkraft der vier Gemeinden Waidhofen/Ybbs–Land, St. Leonhard, Windhag und Zell/Ybbs zusammen. Als Vergleich wurden Budgetumfang und Vermögensstand wie Gebäude, Baugründe, landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Gründe, Park und Gartenanlagen etc. genannt. Gestützt wurden die Argumente einer freiwilligen Zusammenlegung, die der Stadtsenat am Anfang ins Auge gefasst hatte, durch die Abteilung für Grundlagenforschung und zusätzliche Untersuchungen, die vor allem die Steigerung der Bundesertragsanteile betreffen.
Dass eine freiwillige Zusammenlegung eine Utopie sein würde, zeigte sich schon bei der ersten Konfrontation im Oktober 1970,wobei festgestellt wurde, dass sich die Vertreter der Landgemeinden durch den Beschluss des Stadtsenates überfahren fühlten, während der Zeller Bürgermeister Sepp Pöchhacker und andere SPÖ-Kreise die Einbeziehung Sonntagbergs forderten. Er ortete aus seiner Sicht eine gewisse Angst der Waidhofener Stadtväter vor einer möglichen roten Konkurrenz .
Am 12. März 1971 informierte Bürgermeister Franz Josef Kohout das Stadtparlament: “Ich habe als Bürgermeister von den zuständigen Referenten der nö. Landesregierung den Plan einer Gemeindezusammenlegung in einem bestimmten Umfang vorgelegt bekommen mit der Bitte, die davon betroffenen Gemeinden von der Absicht der nö. Landesregierung zu unterrichten, ob noch vor Ablauf des Monats November eine freiwillige Vereinigung zustande kommen könnte“.
In seiner Rundfunkansprache vom 23. Mai nahm Maurer zur letzten Phase der kommunalen Strukturverbesserung in NÖ Stellung.
Es solle nur mehr ca. 500 Gemeinden geben. Die Gemeindevertreterverbände haben Verhandlungsgrundlagen und Konzepte ausgearbeitet, wobei dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel in diesem Strukturbereinigungsgesetz eine besondere Bedeutung zukomme. Wörtlich führte er aus: „Es ist daher erfreulich, dass in Zukunft Waidhofen /Ybbs und Mistelbach die 10.000 Grenze überspringen werden." Und weiter führte er aus und appellierte. “Ich möchte unsere Landsleute, die in den Gemeinden wohnen, die von der letzten Phase der Gemeindezusammenlegungsaktion betroffen sind, bitten, die Situation sachlich zu beurteilen und über die Grenzen der eigenen Gemeinde hinauszuschauen.“
Am 2. Juni 1971 erließ die nö. Landesregierung zur Begutachtung einen Raumordnungserlass, der die Gemeindezusammenlegung zum Programm erhob. Jetzt mussten sich alle Betroffenen damit ernstlich auseinandersetzen. Kurz davor hat auch der Nachrichtendienst für die sozialistischen Gemeindevertreter entsprechend informiert. Bürgermeister Kohout richtete aus dem Krankenhaus - er hatte einen Schlaganfall erlitten - einen Brief zur Aufklärung an die Bevölkerung mit dem Hinweis, dass die Einnahmen aus den Bundesertragsanteilen um 2,5 Millionen Schilling steigen würden. Die Bezirksumlagen würden zur Gänze wegfallen und der Aufwand des Bezirksfürsorgeverbandes würde lediglich ein Drittel von Amstetten ausmachen. Am 25. Juni tagte das Waidhofner Stadtparlament wegen des gesundheitlich angeschlagenen Bürgermeisters im Gasthaus Pillgrab.
Dass der Landeshauptmann auch mit seinem Stellvertreter akkordiert war, zeigt ein Vortrag von Hans Czettel in der Zentralsparkasse Wien vom 28. Juni 1971 mit dem Titel. “Die Gemeindereform in Niederösterreich“.
Jedenfalls ging das Raumordnungsprogramm zur Verbesserung der Kommunalstruktur in NÖ in das Begutachtungsverfahren.
Die Haltung der Marktgemeinde Zell
Während man auf der einen Seite die Bonifikationen bei freiwilliger Zusammenlegung im Auge hatte, wehrten sich die Marktgemeinde Zell, aber auch Windhag und die Landgemeinde gegen den Zusammenschluss. Die Bürgermeister von Windhag und Zell, Haider und Pöchhacker, richteten Protestschreiben an den LH-Stellvertreter, zuletzt auch in Form eines Briefes der sozialistischen Partei an Hans Czettel, der in Böhlerwerk erwartet wurde. Ein Gespräch Sepp Pöchhackers mit OAR Paulowitsch, dem Sekretär des Gemeindevertreterverbandes der SPÖ, und mit der Wahrnehmung, dass auch die NÖ-SP-Spitze hinter dem Vorhaben stand, dürfte auch hier einen Umschwung herbeigeführt haben, obwohl es in Zell eine Volksabstimmung gegeben hat. 522 wahlberechtigte Zeller haben sich gegen die Eingemeindung ausgesprochen, also 55,12%. Die Initiatoren Franz Kaindlstorfer und Alfred Fink erheben aus wirtschaftlichen Gründen gegen die geplante Eingemeindung Einspruch. Die Volksbefragung wird in Form einer Unterschriftensammlung durchgeführt. Die Initiatoren Franz Kaindlstorfer und Alfred Fink erheben aus wirtschaftlichen Gründen gegen die geplante Eingemeindung Einspruch. Die Volksbefragung wird in Form einer Unterschriftensammlung durchgeführt. Sie hatte folgenden Wortlaut: “Die unterfertigten Einwohner der Gemeinde Zell/Ybbs und Zell-Arzberg sind gegen die Zusammenlegung mit der Stadtgemeinde Waidhofen /Ybbs als auch mit anderen Gemeinden.“ Gefordert wird überdies eine vorherige Raumuntersuchung. Diskussionen und Sitzungsunterbrechung im Gemeinderat von Zell führen schließlich zur Stellungnahme der ÖVP- Fraktion Zell, formuliert durch Gernot Rinder, und zur Begründung, dass man gegen den vorgelegten Antrag stimmen werde, weil die Entscheidung über die Gemeindezusammenlegung bereits auf höchster politischer Ebene im Landtag gefallen sei. Den angesprochenen Antrag hat GR Höld vorgelegt: “Ich stelle namens der sozialistischen Fraktion den Antrag, dass bei Beachtung der demokratischen Regeln dem Wunsch der Bevölkerung dahingehend Rechnung getragen werden soll, dass der Entwurf über das Raumordnungsprogramm zur Vereinigung der Marktgemeinde Zell /Ybbs mit der Stadtgemeinde Waidhofen/Ybbs, der Landgemeinde Waidhofen /Ybbs, der Gemeinde Windhag und der Gemeinde St. Leonhard /Wald abgelehnt werden soll, da die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Besserstellung der Marktgemeinde Zell /Ybbs nicht gegeben erscheinen.“ Der Antrag wurde mit 9 gegen 5 Stimmen angenommen.Nach vielen Briefen, Interventionen, Präzisierungen und der Forderung, dass es zu keiner Verschlechterung des bisherigen Gemeinwesens kommen dürfe, kam es schließlich zu der letzten Gemeinderatssitzung der Marktgemeinde Zell mit Zell/Arzberg am 21. Dezember 1971. Nach einer Finanzvorschau über den ordentlichen und außerordentlichen Haushalt und dem Vermögensbericht erfolgte der Abschlussbericht, der Rückblick auf die Geschichte Zells, die Aufbauarbeit nach dem Krieg mit der Verabschiedung des Gemeinderates und dem Abschied des 20. August letzten Bürgermeisters von Zell, Sepp Pöchhacker.
Windhag
Auch in Windhag tauchte die Diskussion über die Gemeindezusammenlegung - wie übrigens in den anderen Gemeinden auch - schon im Jahre 1970 in den Wortmeldungen und Berichten des Gemeinderates immer wieder auf. In den Gemeinderatsprotokollen gibt es zu dieser Thematik zahlreiche Wortmeldungen und Stellungnahmen jener Mandatare, die jeweils mit obersten Landesstellen bereits in Kontakt getreten sind. Bgm. Haider spricht über das Problem aus seiner Sicht und teilt mit dem Bürgermeister der Landgemeinde Eberhard Proch die Befürchtung einer vermuteten kommenden Stagnation und zieht aus dem Gefühl einer schweren Verantwortung eine Zwangsvereinigung einer freiwilligen Union vor. Schließlich wird ein Kontaktkomitee für die Besprechungen mit der Stadt nominiert, dem neben Bürgermeister Josef Haider die Gemeinderäte Leinmüller und Wührer sowie auch Sekretär Mathä angehörten.Nach der Einigung der politischen Parteien auf Landesebene sagt Haider: “Als Bürgermeister dieser Gemeinde muss ich gegen diesen Beschluss energisch protestieren“. Sonntag, den 1. August 1971 hat die Gemeinde Windhag im Rahmen des Begutachtungsverfahrens nach langer Diskussion eine Stellungnahme dahingehend abgegeben, dass die Gemeinde ihre Selbstständigkeit behalten solle. Der Antrag über die Ablehnung des Zusammenschlusses erhielt 10 Pro-Stimmen, 7 Gemeindevertreter stimmten dagegen.
Aber die Schaffung der Großräume Amstetten und Waidhofen war beschlossene Sache. In seiner Schlusssitzung des Gemeinderates Windhag am 18. Dezember 1971 kam es noch einmal zur großen Bilanz über die Entwicklung der Gemeinde von ihren Anfängen 1850 bis 1971.
St. Leonhard/Wald
Es muss festgehalten werden, dass St. Leonhard/Wald ganz klar eine positivere Haltung zu den Bestrebungen des Raumordnungsprogramms eingenommen hat. Das kommt auch bei der Diskussion am 24. Juli 1971 zum Ausdruck. Der Gemeinderat beschließt einstimmig, dass, „wenn eine uns aufgezwungene Gemeindezusammenlegung erfolgt, nur Waidhofen /Ybbs in Frage kommt. Sollte die geplante Zusammenlegung nicht zustande kommen, so lehnt die Gemeinde St. Leonhard jede andere Zusammenlegung mit anderen Gemeinden entschieden ab“.Die Einbeziehung der Landeshauptstraßen 92 und 93 in den Räumungsplan der Winterräumung wird besonders gefordert, um die Möglichkeit zu haben, auch im Winter die Gemeinde zu erreichen. Generell wird verlangt, dass dieses Gebiet nicht finanziell benachteiligt wird.
Am 29. Dezember 1971 wird auch hier die Schlussbilanz gezogen. Bürgermeister Wagner dankt allen Gemeinderäten für die gute Zusammenarbeit und entschuldigt sich, wenn er jemand Unrecht getan oder beleidigt hätte. Mit einer Gedenkminute für alle verstorbenen Bürgermeister und Gemeindefunktionäre endet auch hier eine historische Epoche.
Waidhofen/Ybbs – Land
Eine gewisse Schlüsselrolle kam naturgemäß auch der Landgemeinde zu. Zu ihr gehörten die Rotten bzw. Katastralgemeinden Wirts, (30) Rien, Kreilhof, sowie Konradsheim und St. Georgen/Klaus . (14 + 15) Es ist ganz interessant, dass bereits am 7. Dezember 1968 der Bürgermeister in der Sitzung des Gemeindevorstandes über Besprechungen berichtet hat, die den Anschluss der Gemeinde Opponitz an die Gemeinde Waidhofen/Ybbs –Land zum Gegenstand hatten. In diesem Jahr wird allerdings über einen Erlass beraten, den der Landesschulrat für Niederösterreich herausgegeben hatte. Es handelt sich um Pläne zur Errichtung einer Hauptschule im Bereich der Landgemeinde mit der vorläufigen Sprengelfestlegung unter Einbeziehung von Opponitz. Über eine allfällige Teilung der Hauptschule kam es zu einem Rechtsstreit mit der Stadt, der mit einem gerichtlichen Vergleich geendet hat. Am 22. Februar 1969 wird dem Gemeinderat mitgeteilt, dass durch die Auflassung der VS-Oberstufe die Landgemeinde eine Hauptschule bauen müsse. Über die geplante Hauptschulsprengel - Einteilung bzw. über den Bau einer neuen Hauptschule erfolgt ein Bericht gemäß dem Besprechungsergebnis vom 11. Juni 1970. Von einer Eingemeindung war damals nicht die Rede. Umso überraschender war dann bei der Sitzung des Gemeinderates am 25. September 1970 der Tagesordnungspunkt 14. Zu den geplanten Eingemeindungsmaßnahmen, so heißt es da, wird als Ergebnis der ersten Kontaktgespräche die Niederschrift zur Kenntnis gebracht. Nach Ansicht von Bürgermeister Proch sollten die Gemeinden bestehen bleiben und nur eine Art Gemeindeverband sollte gebildet werden. Die Zusammenarbeit solle nur bei gemeinsam berührenden Angelegenheiten stattfinden. Als Vertreter für die Kontaktgespräche wird neben dem Bürgermeister auch der Vertreter der SPÖ Johann Helmel ernannt. In der Sitzung des Gemeinderates am 19. November 1970 kommt es dann unter dem Tagesordnungspunkt 19 zu einer Stellungnahme des Gemeinderates zur Frage der Gemeindezusammenlegung. In dem Statement des Bürgermeisters würdigt er die Leistungen der Landgemeinde auf verschiedenen kommunalen Ebenen und stellt fest: “Wir sind nie an die Stadt herangetreten, uns in ihren Verband aufzunehmen und bitten auch nicht darum, denn diese Fusion bringt unserer Gemeinde keinerlei wirtschaftlichen Vorteile. Und was wirtschaftlich nichts bringt, bringt auch politisch nichts.“ Vizebürgermeister Roseneder verweist im Namen der ÖVP-Fraktion auf die geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinde mit ihren 80 km² und ihren 2732 Einwohnern. Er führt aus: “Wenn auch eine freiwillige Zusammenlegung für kurze Zeit, etwa drei Jahre, Bonifikationen und in weiterer Folge erhöhte Ertragsanteile bringen würde, so wiegen die Nachteile, die durch die Aufgabe der Selbstständigkeit eintreten würden, in keiner Weise auf.“Ähnlich argumentiert auch die SPÖ-Fraktion. In einer geheimen Abstimmung votieren von 16 abgegebenen gültigen Stimmen 12 gegen eine Gemeindezusammenlegung und vier für eine Gemeindezusammenlegung. Der Entwurf zum Raumordnungsprogramm wurde in der Zeit vom 14. Juni bis 30. Juni 1971 im Gemeindeamt aufgelegt und somit öffentlich kundgemacht. Während der Auflagefrist wurden drei Stellungnahmen eingebracht, die alle gegen den Entwurf des vorgesehenen Raumordnungsprogramms sprechen und mit 288 Unterschriften versehen sind. Neben den Stellungnahmen der Ortsbauernräte von Konradsheim und St. Georgen/Klaus bringt schließlich GR Rauter einen schriftlich eingebrachten Antrag zur Verlesung. Er führt die steigende Bevölkerungszahl an, die Leistungen auf kommunalem Gebiet, äußert die Furcht vor einer Stagnation und bekräftigt, dass das Ziel der Verordnung, nämlich die Steigerung der finanziellen Leistungskraft, das Funktionieren der Verwaltungseinrichtungen, die steigende Bevölkerungszahl etc. eigentlich bereits zum jetzigen Zeitpunkt erfüllt sei. Die sozialistische Fraktion sieht es auch diesmal wieder ähnlich. Die Abstimmung über den Antrag Walter Rauters lautet: 11 für die Selbstständigkeit, 4 dagegen und 3 Stimmenthaltungen.
Damit hat der Gemeinderat innerhalb von 8 Wochen seine Stellungnahme abgegeben. Bürgermeister Eberhard Proch, der sich lange gegen das Projekt Eingemeindung zur Wehr gesetzt hat, musste schließlich am 10. Dezember 1971 eingestehen: “Die Mandatare der Landgemeinde haben sich bis zum 3. November 1971 sehr entschieden gegen die Zusammenlegung ausgesprochen. Nun sind aber die Würfel gefallen.“ Es gibt eine große Rückschau und Leistungsbilanz ab 1963 und in der letzten Sitzung des Gemeinderates Waidhofen /Ybbs - Land am 22. Dezember 1971 dankt Eberhard Proch allen für die gute und verständnisvolle Zusammenarbeit und schließt damit ein bedeutendes Kapitel der Lokalgeschichte.
Die von der SPÖ dominierten Gemeinden Zell und Windhag urgierten auch die Eingliederung Böhlerwerks als starke Industriegemeinde und gleichsam als Gegengewicht zu den agrarisch strukturierten übrigen Kommunen, die zu Waidhofen kommen sollten. Dass dabei immer wieder von beiden Seiten parteipolitisch motivierte Vorschläge mit mehreren Varianten eingebracht worden sind, muss nicht besonders hervorgehoben werden. Eine interessante Parallelbetrachtung wäre auch die Situation bei der Eingemeindung in Amstetten.
Bei der entscheidenden Landtagssitzung am 4. November 1971, bei der Abgeordneter Laferl den wichtigen Antrag stellte, waren Kohout, Proch und Gemeindevertreter der ÖVP von Windhag und Zell bzw. der damalige Magistratsdirektor Mayerhofer anwesend.
Dass die Gemeindezusammenlegung eine Chance, aber auch eine gewisse Gefahr darstellte, war vielen bewusst. Weder Arroganz, noch Populismus, weder verbale Kaltschnäuzigkeit noch mangelndes Einfühlungsvermögen konnten helfen, sondern allein die feste Entschlossenheit, für Waidhofen und seine Zukunft das Beste zu wollen und zu wagen.
Es ist klar, dass der Mehrheitsfraktion im Waidhofner Stadtparlament eine besondere Bedeutung zufiel. Man musste diesen lokalhistorischen Akt, sollte er wirklich gelingen, gut vorbereiten. Schon am 30. Oktober 1970 geht es im Tagesordnungspunkt 5 um die freiwillige Gemeindezusammenlegung bzw. um die Änderung des Stadtrechtes. Nach §2 (1) sollten alle Katastralgemeinden von dieser Änderung erfasst werden. Im §8 (1) dieses Stadtrechtes sollte der Gemeinderat von 28 auf 40 Mitglieder aufgestockt werden.
Stadtrat Hubert Bauernhauser formulierte für die SPÖ Fraktion einen Zusatzantrag, auch die Gemeinde Sonntagberg aufzunehmen.
Der Amtsantrag wurde angenommen, der Zusatzantrag mehrstimmig abgelehnt. In seiner 14. ordentlichen Sitzung des Gemeinderates der Stadt Waidhofen /Ybbs am 23. Juli 1971 befasste sich das Stadtparlament mit Verordnungen des NÖ. Landtages über die Verbesserung der Kommunalstruktur (6a) und über die Entwicklung des Fremdenverkehrs (6b). Der Antrag des Stadtsenates wurde beim TO-Punkt 6 a mehrstimmig angenommen, bei 6 b erfolgte die einstimmige Annahme. Dabei kommt es zu einer Stellungnahme der SPÖ –Fraktion, die ein grundsätzliches Ja zum Großraum enthält, aber vorherige Untersuchungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Stärke und die Integration der Gemeinde Sonntagberg neuerlich urgiert.
Nach internen Beratungen war am 10. Mai 1971 von der ÖVP - Fraktion folgendes Verhandlungsteam nominiert worden: Vizebürgermeister Ing. Friedrich Deseyve, Fraktionsobmann StR Josef Ripper, StR Erich Vetter, GR Johannes Leitner und GR Dr. Matthias Settele. Partner dieser Kontaktgespräche waren die VP-Repräsentanten der damaligen Gemeinden. Es gab aber auch andere Gesprächsebenen und interfraktionelle Begegnungen.
Menschlich gesehen erlebte ich bei diesen Gesprächen zunächst eine reservierte Höflichkeit, einen gewissen Respekt voreinander, aber auch ein Gefühl einer bestimmten Verantwortung. Vordergründig war vor allem einmal die Angst vor der Ungewissheit zu spüren, eine immer wieder durchschlagende Sorge um die Zukunft der jeweiligen Heimat mit Kirche und Schule, mit Siedlungstätigkeit und attraktiver Sicherung bäuerlicher Strukturen und wichtiger Standortfaktoren. Ich hörte zum ersten Mal ganz bewusst von den Fragen der Schneeräumung im ländlichen Raum, von den Güterwegen und Hofzufahrten und deren Asphaltierung, von den Löschteichen, von den Zuschüssen zur Vatertierhaltung, von Kindergarten, Schule, Kirche und Pfarre als Ausdruck keimenden Heimatgefühls.
Vieles wurde da offenbar im zwischenmenschlichen Bereich, im emotionalen Urgrund und in der Körpersprache. Und dieses Hinhören, dieses Aufeinander-Zugehen betraf auch Dinge, die noch im ungewissen Raum der kommenden Entscheidung harrten.
Als besonders sensibel erkannten wir bald die Frage der Freiwilligen Feuerwehren (31) und der Jagdgenossenschaften und all der damit verbundenen Strukturen. Neben der sachlichen Thematik gab es natürlich auch die ganz persönliche Seite. Es gab auf der einen Seite neben Franz Josef Kohout (Stadt) mächtige Bürgermeister wie Sepp Pöchhacker (Zell), Eberhard Proch (Landgemeinde), Josef Haider (Windhag), Johann Wagner (St. Leonhard), es gab einflussreiche Gemeindesekretäre wie Alois Herold (Zell), Ferdinand Lindner(Landgemeinde), Ludwig Mathä (Windhag). Es reifte die Einsicht, dass die Tatsache, dass mehrere Gemeindeämter innerhalb von 20 Gehminuten erreichbar sind (Unterzell für Gemeindeamt Windhag, Zell-Hauptplatz, Oberer Stadtplatz (Landgemeinde und Stadt), einer Rationalisierung und Effizienzsteigerung bedarf. Am rechten Ybbsufer waren die Schatten der Vergangenheit - das Bistum Passau und die Herrschaft Gleiß mit ihren Repräsentanten (Strasser, Ochsenburg, Montecuccoli, Orsini-Rosenberg etc.)- am linken Ybbsufer das Bistum Freising mit seinen Vögten und Pflegern und seiner Tradition und Geschichte bzw. seine ganze in Bedrängnis geratene Gegenwart; war doch der damalige Bürgermeister Franz Josef Kohout durch die Folgen seiner Krankheit schwer gezeichnet. Und da musste sich das kleine Team der Fraktion, in der sich in der Folge später dann neben dem ÖAAB und dem Wirtschaftbund auch der Bauernbund, also drei Bünde tummeln sollten, bewähren als Faktor der sozialen Integration, aber auch als Faktor der Integration der einzelnen Ortsteile zu einem Waidhofen / Ybbs.
Folgende Fragen bewegten uns damals: Welche Rolle werden die ehemaligen Bürgermeister Johann Wagner, Josef Haider, Sepp Pöchhacker, Eberhard Proch und die ehemaligen Gemeindesekretäre Mathä, Lindner, Herold im kommenden Stadtparlament, im künftigen Magistrat spielen? Wie stark werden die Ortsteile mit ihren Mandataren vertreten sein? Bünde und Ortsteile, Berufs–und Interessensgruppen galt es für die politische Seite, für die politischen Parteien zu harmonisieren. Es kam sehr gelegen, dass der Gemeinderat in Analogie zu den anderen Statutarstädten auf 40 aufgestockt worden ist, sodass eine Möglichkeit einer sinnvollen Vertretung – kluge und realistische Verhandlungen vorausgesetzt - der einzelnen Ortsteile gewährleistet schien.
Am 19. November verkündete der „Bote von der Ybbs“, dass die Großgemeinde Wirklichkeit wird und veröffentlichte ein Grundsatzprogramm zur Zusammenlegung des ländlichen Raums mit dem städtischen Bereich. Am 10. Dezember finden weitere Informationsgespräche mit der ÖVP - Waidhofen/Land zum Thema Großgemeinde statt. Am 13. Dezember erfolgte die Verlautbarung des Gesetzes, wobei für uns der §6 des Kommunalverbesserungsgesetzes besonders interessant ist. Am 16. Dezember 1971 erhielten die Bürgermeister Proch (Landgemeinde), Pöchhacker (Zell), Haider (Windhag), Wagner (St. Leonhard /Wald) beim Bürgermeistertag aus der Hand des Bezirkshauptmannes Forsthuber Ehrendiplome. Am 22. Dezember 1971 tagte dann die letzte Sitzung des Gemeindeparlaments der kleinen Stadt. Gleich darauf erfolgten ausführliche Mitteilungen des Magistrats der Stadt Waidhofen/Ybbs zur Gemeindezusammenlegung mit Wirkung vom 1. I. 1972. Dabei wurden nicht nur die ehemaligen Gemeinden, sondern auch die Katastralgemeinden aufgelistet:
Waidhofen/Ybbs, Konradsheim, Kreilhof, Rien, St. Leonhard /Wald ,St. Georgen/Klaus, Windhag, Wirts, Zell-Arzberg und Zell-Markt.
“Der NÖ-Landtag hat am 3. November 1971 die einstimmigen Gesetzesbeschlüsse gefasst, welche nunmehr im Landesgesetzblatt für das Land Niederösterreich verlautbart wurden. Es handelt sich um das NÖ. Kommunalstruktur- Verbesserungsgesetz LGBL. Nr. 264 und um die Änderung des Waidhofner Stadtrechts, LGBL. Nr. 267. “
Die Umstellung
In den letzten Tagen dieses Jahres besichtigten dann die Bürgermeister die Einrichtungen der Stadt und die verschiedenen Abteilungen des Magistrats. Besonders wichtig schien auch damals, die Kompetenzbereiche des künftigen Agrarausschusses, der besonders die Herren Proch und Wührer interessierte, festzulegen. Mit 1. Jänner 1972 erfolgte die vollständige Überleitung der Rechte und Pflichten der bisherigen Gemeinden auf die Stadt Waidhofen /Ybbs. Gemäß §6 des Kommunalstrukturverbesserungsgesetzes erfolgte die Auflösung der Gemeinderäte jener Gemeinden, die von der Vereinigung betroffen waren, also auch die Auflösung des Gemeinderates der Stadt Waidhofen/Ybbs. Die unaufschiebbaren Geschäfte laut §76,2 des Stadtrechtes wurden bis zur Konstituierung des neuen Gemeinderates durch die Organe der Stadt (Magistrat, Stadtsenat) besorgt. Die einzelnen Mitglieder des Gemeinderates, ausgenommen der Bürgermeister als Vorstand des Magistrats, konnten nicht mehr für die Stadt tätig werden.Mit einer Grußadresse des Bürgermeisters und entsprechenden Neujahrswünschen wendet sich das Stadtoberhaupt an die Bevölkerung der neuen Großgemeinde. Im Gemeinderat appellierte er an alle Mandatare, “ob sie wieder dem Stadtparlament angehören werden oder nicht, der Stadt Waidhofen/Ybbs die Treue zu halten und weiter für unsere Stadt zu arbeiten“. Am 11. Jänner 1972 erfolgte die rechnungsgemäße Übergabe im Beisein von Organen des Gemeindereferates.
Am 21. Jänner war die Umstellung im Magistrat auf vollen Touren. 7 Büroräume und ein Archivraum wurden geschaffen und der Magistrat in neun Abteilungen gegliedert. Das Standesamt und die Staatsbürgerevidenz sind nach Zell in das ehemalige Gemeindehaus und das Fürsorge- und Jugendamt in das Gebäude der ehemaligen Landgemeinde verlegt worden. Damals wurde folgende Struktur geschaffen:
MA 1 Bezirksverwaltungsangelegenheiten –Abteilungsleiter Alois Herold
MA 2 Rechnungsabteilung - Dir. Wilhelm Mayr
MA 3 Bau –und Agrarabteilung - AR Ferdinand Lindner
MA 4Wohlfahrtswesen - MD Dr. Otto Mayerhofer
MA 5 Personalabteilung - Leopold Ganser
MA 6 Kultur –und Fremdenverkehr - MD Dr. Otto Mayerhofer
MA 7 Liegenschaftsverwaltung - AR Ludwig Mathä
MA 8 Bauamt - Ing. Erhard Reisel
MA 9 Wasserwerk - Franz Loiskandl
Wahlwerbung , Wahl und Konstituierung
Der nun in den 124 neuen Kommunen in Niederösterreich einsetzende Wahlkampf war zumindest bei uns äußerst heftig. Die Lokalzeitung stellt eine „Tribüne der wahlwerbenden Parteien“ zur Verfügung und berichtet über Weihnachts-und Neujahrsfeiern mit politischem Hintergrund, über Jahreshauptversammlungen, Vertrauensleute-Versammlungen, Wählerservice, Hinweise, Diskussionsabende, Wählerversammlungen, Funktionärskonferenzen, Betriebsbesuche mit lokalen, regionalen und bundespolitischen Repräsentanten in allen Ortsteilen und stellte schließlich die Gemeinde-Wahlwerberliste der Waidhofner Parteien ÖVP, SPÖ, FPÖ, KPÖ mit ihren Kandidaten und Ersatzkandidaten vor. Die SPÖ bot überraschend den Abgeordneten zum NÖ. Landtag Franz Peyerl als Spitzenkandidaten auf, nicht den verdienstvollen Zeller Bürgermeister Sepp Pöchhacker, dem dreimal ein anderer Mandatar vorgezogen worden ist. Zunächst wurde er trotz seiner Reputation nicht Spitzenkandidat, er wurde nach erfolgter Wahl nicht Vizebürgermeister, er wurde drittens auch nicht Fraktionsobmann, was für ihn sicherlich auch eine persönliche Enttäuschung war und eine nicht unbeträchtliche menschliche Größe abverlangt hat.Die ÖVP schickte nochmals Franz Josef Kohout - nach intensiven internen Beratungen und mit hauchdünner innerparteilicher Mehrheit - ins Rennen.
In einer außerordentlichen Sitzung, Montag, den 21. Feber 1972 , wurde ein Voranschlagsprovisorium bis zum 31. Mai 1972 beschlossen, um der mit nö. Kommunalstrukturverbesserungsgesetz LGBL Nr.264/1971 erfolgten Vereinigung der Gemeinden Waidhofen/Ybbs-Land, Zell/Ybbs, Windhag und St. Leonhard mit der Stadt Waidhofen/Ybbs auch voranschlagsmäßig Rechnung zu tragen. Am 13. März 1972 wurden noch der Rechnungsabschluss des Krankenhauses und die Aufnahme eines Fondsdarlehens für die Erweiterung der Wasserversorgungsanlage Raifberg und für die Abwasserbeseitigungsanlage Zell beschlossen.
Das Votum der GR-Wahl am 19. März 1972 war eindeutig. Bei einer Wahlbeteiligung von 93,63 Prozent entfielen 23 Mandate für die ÖVP und 17 Mandate für die SPÖ, FPÖ und KPÖ gingen leer aus.
Bei der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates am 11. April, die der Altersvorsitzende Ignaz Wührer präsidierte – der älteste SPÖ-GR Markus Prentner fehlte wegen Krankheit - wurde Kohout nach der Angelobung der Gemeinderäte zum sechsten Mal zum Bürgermeister gewählt. Er erhielt 23 Stimmen, sein Kontrahent Peyerl 15. Kohout übernahm den Vorsitz und gelobte zunächst den Altersvorsitzenden an. Der nächste Tagesordnungspunkt war die Wahl der Stadträte: 6 Mitglieder standen auf Grund des Wahlergebnisses der ÖVP zu, 4 der SPÖ.
Der Stadtsenat setzte sich nach erfolgter Wahl neben dem Bürgermeister aus folgenden Mitgliedern zusammen: Deseyve, Holzer, Proch, Ripper, Vetter und Wührer; sie erhielten je 23 Stimmen. Damberger erhielt 39, Pöchhacker 39, Haider 38 und Bauernhauser 37 Stimmen.
Bei dieser Wahl ist unschwer zu erkennen, dass die SPÖ-Mandatare für die von der ÖVP nominierten Spitzenfunktionäre nicht votiert haben, dagegen haben die ÖVP-Mandatare die sozialistischen Stadträte mitgewählt.
Bei der Wahl der Vizebürgermeister entfielen auf Erich Vetter 23 und auf Edgar Damberger 15 Stimmen.
In einer Grundsatzerklärung führte der neue und alte Bürgermeister u.a. aus:
„In neuer Besetzung und in einer größeren Stadt beginnt nun der Gemeinderat seine Tätigkeit. Mein Wunsch ist es, dass die nun begonnene Periode des Gemeinderates sich erfolgreich gestalten möge. Meine Bitte geht dahin, dass sich alle Mandatare bewusst sein mögen, dass ihre Arbeit dem Wohle der gesamten Stadt und nicht eines einzelnen Stadtteiles dient und dass nur ein Miteinander die Ehre und das Ansehen der Stadt festigen und heben kann. Die Augen aller Bevölkerungskreise sind auf uns gerichtet, auf jene Menschen, denen die stimmberechtigten Wähler am 19.März das Vertrauen ausgesprochen haben. Wir haben nun gemeinsam dieses Vertrauen zu rechtfertigen.“
Mit der Änderung der Geschäftsordnung und der Bildung der GR-Ausschüsse und der Wahl der Mitglieder der Gemeinderatsausschüsse sowie der Vertreter für die Grundverkehrskommission sind dann in den folgenden Beratungen die Konstituierungen im wesentlichen abgeschlossen.
Die Entscheidung war gefallen. Eine neue Ära für „Großwaidhofen“ hatte begonnen. Jetzt galt es, statt 4,71 km² auf einmal 131 km² zu betreuen, und statt für 5.586 Bürger für mehr als 11.4oo Einwohner den Dienst an der Gemeinschaft zu administrieren.
Erinnerung und Rückblick
Von den Protagonisten dieser Tage sind viele nicht mehr am Leben, sie können nicht mehr befragt werden. Aber die heutige Sicht der damaligen Funktionsträger, die längst von der politischen Bühne abgetreten sind, zeigen ein interessantes und heterogenes Bild der lokalhistorisch bedeutsamen Ereignisse jener entscheidenden Monate. Der damalige Finanzreferent und spätere Langzeitbürgermeister Erich Vetter hat wohl den umfassendsten Einblick in die verschiedenen Facetten der neuen Herausforderung. Man hat in einzelne Strukturen der Freiwilligen Feuerwehr, der Jagd und Musik nicht eingegriffen, auf der anderen Seite war immer wieder bei Proch und anderen die Angst präsent, dass die Ortsteile ausgehungert werden könnten, dass einseitig die Stadt, die eigentlich nicht wusste, was auf sie zukommt, profitieren werde. Der großen Sorge um die Eigenständigkeit der Ortsteile war so groß, dass man auch versucht hat, diesen Zweifeln mit positiven Angeboten zu begegnen. Das Thema hat ja nicht nur politische und kommunalpolitische Dimensionen, sondern berührte auch zutiefst menschliche Eitelkeiten und die Promotion auch innerhalb des Rahmens der größeren Verwaltungseinheit und politischen Vertretung. Hier leistete auch der damalige Magistratsdirektor Otto Mayerhofer gute Arbeit, indem er die Integration der ehemaligen Gemeindesekretäre in den Magistrat vorgenommen hat und Alois Herold als Abteilungsleiter für Verwaltung, Ludwig Mathä für Liegenschaft und Ferdinand Lindner für die Baurechtsabteilung eingesetzt hat. Die schon erwähnte Aufstockung der Mandate auf 40,die richtige Verteilung der GR-Ausschüsse sowie die Einsetzung eines persönlichen Sekretärs des Bürgermeisters in der Person Johann Schneiders hat die politische Integration sicherlich gefördert, so dass am 15. Oktober 1973 Erich Vetter als Nachfolger von Franz Josef Kohout als Bürgermeister sein Amt antreten konnte.Johannes Leitner, der die Arbeitnehmerinteressen im Rahmen des ÖAAB auch im Großraum Waidhofen wahrzunehmen versuchte und über gute Kontakte zu den damaligen Gemeinden, besonders zu deren ÖAAB -Repräsentanten verfügte, hatte unter anderem die schwierige Aufgabe, den angeschlagenen und von der Krankheit gezeichneten Bürgermeister Kohout zu fragen, ob er für eine weitere Kandidatur zur Verfügung stünde.
Mit ungeheurer Disziplin, besonders im anschließenden Wahlkampf, rechtfertigte Kohout seine Entscheidung bzw. seine Nominierung. Der ehemalige Gemeinderat Ernst Buchriegler hat eine besonders intime Kenntnis der Stimmung und der Vorgänge in der Gemeinde Waidhofen/Ybbs-Land vor der Eingemeindung. Erregte Auseinandersetzungen, quasi geheime Absprachen im kleinen Kreis und persönliche Rivalitäten der Bauernführer Wührer und Proch wurden damals ebenso vermutet wie mangelnde Loyalität des Gemeindesekretärs, dazu kam das Misstrauen gegenüber der Stadt, die alles an sich ziehen werde und die Tatsache, dass eigentlich nur zwei Mandatare für die Kommunalstrukturverbesserung im Sinne der Gesetzesvorlage eingetreten sind. All diese Dinge standen damals im Raum, so dass aus der Sicht Buchrieglers eine große Zufriedenheit bei den beiden Repräsentanten des ÖAAB der Landgemeinde Holzer und Buchriegler herrschte, als sie für die Großgemeinde angelobt worden sind.
Sepp Pöchhacker, der letzte Bürgermeister von Zell und ehemaliger Stadtrat der Großgemeinde, bestätigt die Gespräche mit Sekretär Dir. Paulowitsch, vor allem mit Dr. Kleedorfer, dem juristischen Berater Czettels. Am 3. Mai 1971 kam es bei Czettel zu einer entscheidenden Aussprache mit den SPÖ -Abgeordneten der Region und wichtigen Beamten, wobei Gemeindesekretär Herold und Bürgermeister Pöchhacker anwesend waren. Außerdem gab es Gespräche von Gemeinde zu Gemeinde, aber auch Kontaktgespräche auf Parteiebene. Pöchhacker weiß natürlich als Zeitzeuge und aus seiner Funktion als Bürgermeister um die mehrfachen Versuche einer Vereinigung von Zell und Waidhofen unter Bgm. Moyses, über die zwanziger und dreißiger Jahre bis zur Verwaltungsgemeinschaft in der NS-Zeit. Die treibende Kraft in der Eingemeindungsfrage in Amstetten hat auch im Waidhofner Geschehen zumindest auf der SPÖ Seite, kräftig mitgemischt. Es war der Abgeordnete zum Nationalrat und Bürgermeister von Amstetten, Hans Pölz. Ob er bei Czettel die Sachlage, was Waidhofen betrifft, richtig beurteilt und dargestellt hat, ist heute nicht mehr exakt zu verifizieren und darf bezweifelt werden, wenn er die Meinung verstärkt haben soll, Waidhofen könnte politisch „umgedreht“ werden. Jedenfalls gibt es, laut Pöchhacker, den entscheidenden Anruf Czettels mit dem Hinweis: „Es tut mir leid, ich habe Maurer mein Wort gegeben.“
Irgendwann in der Vorbereitung zur GR-Wahl tauchte im Kreis von Johannes Leitner, Josef Kornmüller und Matthias Settele der Slogan auf, der damals galt und bis heute besteht und auch in Zukunft Geltung haben soll: Stadt und Land –Hand in Hand.
Zuwachs und Bereicherung
Die Eingemeindung bedeutete nicht nur eine erhöhte Bevölkerungszahl für Waidhofen, bedeutete nicht nur eine flächenmäßig beträchtliche Ausdehnung, sondern brachte eine unglaubliche Bereicherung an geistigen Talenten, musischen Begabungen, praktischen Sichtweisen, bodenständigen Einstellungen und eine Akkumulation von positiven Kräften, die dem neuen Gemeinwesen zugute kamen. Aber auch das kulturelle Erbe der Vergangenheit in Brauchtum und Geschichte wurde eingebracht und verschmolz zu einem aus starken Wurzeln geprägten Heimatgefühl.Also sind für Zell die Grundherrschaft Gleiß, die protestantische Zeit und die lutherischen Zufluchtsmöglichkeiten im 16. Jahrhundert, die Erhebung zum Markt durch Leopold Montecuccoli, der Sitz der Herrschaft Gleiß zu Zell nach Fertigstellung des barocken Schlosses, der Bau der Zeller Kirche und der Zeller Hochbrücke fixe Bestandteile und Zugänge zur Vergangenheit. Konradsheim bringt sich mit dem mächtigen Hochadelsgeschlecht der Peilsteiner mit ihren Vogteirechten und der Burg ein (23) sowie mit seiner Kirche zum Hl. Nikolaus, bis zum heutigen Tag namensgebendes Faktum in der heimischen Mundart (Niglo).
St . Georgen /Klaus, das schon 1156, besonders aber in der Originalurkunde vom 30. August 1186 gemeinsam mit Waidhofen genannt wird, lässt durch seine bemerkenswerte Kirche und durch die zweitälteste Glocke von Niederösterreich aufhorchen.
Windhag, das schon 1225 urkundlich erwähnt und durch seine alten Höfe als uraltes Siedlungsgebiet bekannt ist, wurde 1474 als eigene Pfarre geführt und ist ebenso wie St. Georgen dem Stift Seitenstetten pfarrlich inkorporiert. (35) Schließlich ergänzt die Filialkirche St. Ägid am Walcherberg diese traditionsreiche Kulturlandschaft.
Abschließend sei noch St. Leonhard erwähnt, das durch die berühmten Fiaker- und Taxi-Wallfahrten sowie durch seine Luftgüte als beliebtes Ausflugsziel zu allen Zeiten Geltung hatte.
Was die Ortsteile seit der Eingemeindung geleistet haben, das wird wohl durch Ausstellungen, Projekte und Dokumentationen anhand verschiedener Medien ausreichend nachgewiesen werden, zumal ja Gemeinderatswahlen ins Haus stehen. Auch mögliche Hinweise auf Versäumnisse sind nicht ausgeschlossen. Meine Überlegungen gehen dahin, noch einmal zu reflektieren, wie denn die Stadt selbst unmittelbar und mittelbar von dem damaligen Gesetz profitiert hat.
Da sind zunächst die erhöhten Ertragsanteile auf Grund des Überschreitens der „magischen“ Grenze von 10.0000 Einwohnern, die räumliche Erweiterung (131 km²) zu nennen, die Ausdehnungs- und Siedlungsmöglichkeiten, die Erhöhung des Standortes Waidhofen mit den schon erwähnten Bereicherungen an menschlichen Ressourcen mit ihren Talenten und Begabungen, vor allem mit ihrer Tatkraft und Einsatzfreude, wenn es um Gemeinschaftsprojekte geht. Auch die Erweiterung des Schulwesens in der Stadt sowie das musikalische Treibhaus der Musikschule und die Siedlungstätigkeit am rechten Ybbsufer sind aus dieser Konstellation zu verstehen. Als Hinweis mag die Erweiterung in der ehemaligen Marktgemeinde Zell gelten, vielleicht die wichtigste Morgengabe der Eingemeindung. Die regelmäßige Begegnung von Stadt und Land äußert sich heute nicht nur auf den Wochenmärkten, sondern auch bei den traditionellen Konzerten der Musikkapellen im Konviktgarten, im Plenkersaal, bei der Marschmusikbewertung im Alpenstadion oder bei den Auftritten im Rothschildschloss sowie im Schlosscenter. Häuser und Liegenschaften der ehemaligen Gemeinden haben ebenfalls der Stadt nicht geringe Vermögenswerte zugeführt. Die guten Strukturen der dörflichen Gemeinschaft, des Feuerschutzes etwa und vieler anderer Einrichtungen sind für die Stadt ebenfalls eine Verbesserung der Lebensqualität. Dass unsere Leitbetriebe in der Heimat gehalten werden konnten, ist neben verschiedenen Faktoren der persönlichen Affinität zu Waidhofen ebenfalls auf die neuen Bedingungen zurückzuführen. (38+39) Waidhofen hat sich durch diese Bindung an das ländliche Umfeld als Einkaufsstadt der ersten Wahl sowie als Umweltstadt stärker positioniert.
Wir wollen und sollten daher die Eingemeindung nicht als Schicksal, sondern als Bereicherung empfinden. Viel haben wir in der Vergangenheit erreicht. Es liegt an uns, was wir aus dieser Chance in der Zukunft machen.
Zum Schluss gilt mein Dank allen meinen Gesprächspartnern sowie den Damen des Archivs und der Bezirksbibliothek für ihre wertvollen Hinweise.
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