10-Jahresjubiläum Fairtradegemeinde

9. Juni 2018

Rede Fair-Trade-Obmann Hermann Wagner

Als Obmann des Weltladens Waidhofen darf ich der Fairtradegemeinde heute herzlich gratulieren. 10 Jahre lang stellt sich die Gemeinde der Herausforderung, eine faire Gemeinde zu werden. Im Fairtrade-Arbeitskreis, den es in jeder derartigen Gemeinde geben muss, arbeiten wir vom Weltladen gerne mit, weil wir unsere langjährigen Erfahrungen im Fairen Handel hier gut einbringen können. Fair und gerecht behandelt zu werden, ist eine Grunderwartung, eine Grundsehnsucht aller Menschen. Dazu gehören Achtung, Ansehen, Wertschätzung, ausreichend sichere Lebensgrundlagen und Bildung. Wo das alles gewährleistet ist, können Menschen aufblühen. Wo diese Grundsehnsucht nach gerechter und fairer Behandlung erfüllt ist, können Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen. Fairness und Gerechtigkeit sind die  besten Voraussetzungen für eine friedliche Entwicklung.
Liebe Gäste des heutigen Jubiläums!
Wenn diese Sehnsucht so tief in allen Menschen verankert ist, warum braucht es dann Initiativen wie Fairtradegemeinden, wie Weltläden oder den Fairen Handel insgesamt? Müssten Fairness und Gerechtigkeit nicht längst selbstverständliche Grundmuster der internationalen Ordnung sein?
Der kritische Blick in die globale Gegenwart zeigt uns eine andere Realität.

Der jüngste Bericht der ILO, der internationalen Arbeitsorganisation nennt die erschreckend hohe Zahl von über 40 Millionen Menschen, die heute Sklavenarbeit machen, ja man spricht in diesem offiziellen Bericht von Sklavenarbeit, jede fünfte von Sklavenarbeit betroffene Person ist noch Kind. Sklavenarbeit gibt es  in der Landwirtschaft, in der Textil- und Sexindustrie, im Haushalt, am Bau und in Bergwerken. Über 40 Millionen völlig entrechtete und entwürdigte Menschen in unserer globalisierten Wirtschaft. Seit über 40 Jahren bauen der faire Handel und die Weltladenbewegung, faire Gemeinden und faire Schulen an einem Gegenmodell. Wir wollen es einfach nicht hinnehmen, dass in Konsumprodukten heute noch soviel an Ausbeutung, Entwürdigung und Sklaverei steckt. Wir wollen mit Menschen auf Augenhöhe handeln, sie als genau gleichwertige Menschen wahrnehmen, ihnen Preise und Löhne für ihre wertvollen Produkte zahlen, mit denen ein würdiges Leben möglich wird.

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Gerald Käferbeck mit Weltladen-Mitarbeitern.
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Guter Rhythmus mit der Trommlergruppe

Wir wollen den Menschen, mit den wir im globalen Austausch stehen, in die Augen schauen können und uns nicht schämen müssen wegen ihrer im internationalen Kapitalismus aufgezwungenen Arbeits- und Lebensbedingungen. Wir durften in den letzten Jahren hier in Waidhofen Produzentenpartner begrüßen und mit ihnen in einen persönlichen Austausch treten. Frauen und Männer  aus Sri Lanka, aus der Dominikanischen Republik, aus dem Libanon, aus Paraquay und im letzten Herbst Srikar Yenuka aus Indien. Wir erfuhren in diesen schönen Begegnungen, wie Kooperativen, Dörfer und ganze Kleinregionen aufblühen können, wenn sie ihre Produkte langfristig, zu guten Preisen und mit Aufschlägen für Bioproduktion verkaufen können. Es passiert damit eine Ermächtigung vor Ort, es entstehen Langzeitperspektiven, es entstehen neue Wurzeln für die nächste Generation, Abwanderung und Flucht werden eingedämmt oder verhindert.

Liebe Gäste! Wir kredenzen ihnen heute Adelante Kaffee. Er stammt aus der Frauenkooperative APROLMA in Honduras. Alle 69 Mitglieder dieser Kooperative sind Frauen. Dolores Benitez Espinoza  war schon in Österreich und sie sagt: „Alleine kommst du nicht weiter. Es geht uns darum, unsere Rechte als Frauen einzufordern. Dass wir das Recht haben, uns zu organisieren, an der Produktion beteiligt zu sein, zum Familieneinkommen beizutragen, einen Zugang zum Markt zu bekommen und darüber zu entscheiden, was mit unserem Geld passiert. Damit sich unsere Familien, unsere Gemeinde, ja unser ganzes Land entwickelt.“
So bauen wir schon mit dem Kauf dieses einen Produktes, des Adelante Kaffees, eine Brücke von der Fairtradegemeinde Waidhofen  mit ihren Entwicklungen zu den bewundernswerten Entwicklungen in Honduras. Eigentlich bauen wir mit jedem Produkt im Fairen Handel menschliche Brücken zu konkreten Menschen in benachteiligten Regionen anderswo. Es sind Brücken der Begegnung, der Fairness, der Menschlichkeit.

Liebe Waidhofner/innen, tragt bitte das edle Anliegen des Fairen Handels mit, nutzt den Zugang zu fairen Produkten in unserer Stadt, baut immer mehr fair verfügbare Produkte wie Reis, Schokolade, Kaffee, Tee, Kunsthandwerk, Textilien, Schmuck in euren Alltagskonsum ein und tragt so dazu bei, dass unsere schöne Gemeinde Schritt und Schritt mehr und mehr eine faire Gemeinde wird. Es gibt noch viele Möglichkeiten, die faire Gemeinde weiterzuentwickeln. Helfen wir alle zusammen.
Alles Gute dem ganzen Team in der Gemeinde mit Stadtrat Hintsteiner an der Spitze und viel Kraft für die nächsten 10 Jahre Fairtradegemeinde.

Martina Ritt und Monika Wegscheider am Infostand der FT-Gemeinde.JPG
Martina Ritt und Monika Wegscheider am Infostand der FT-Gemeinde.
Anna Raab und Edi Beer mit Adelanteworkshop.JPG
Anna Raab und Edi Beer mit Adelanteworkshop.

FAIRNETZUNG beim Festakt 10 Jahre Weltladen Waidhofen.JPG
FAIRNETZUNG beim Festakt 10 Jahre Weltladen Waidhofen.

Starke Bildungsimpulse zum Weltladenjubiläum im Jahr 2014

Fest 10 Jahre Weltladen – gelungenes Miteinander mit der Fairtradegemeinde Waidhofen

Hunderte Schüler/innen und viele interessierte Erwachsene studierten in den Wochen bis zum 8. Mai die Ausstellung Fairer Handel statt Hilfe im Tourismusbüro. Sie konnten neue Einsichten über die hochproblematische gegenwärtige globale Chancenverteilung gewinnen, sie vertieften ihre Kenntnisse zu den Fairtradeprinzipien, sie lernten konkrete Produzentenpartnerorganisationen kennen, sie erfuhren Neues zum Landgrabbing und über die Kindersklaverei und sie wurden ermutigt zu konkretem fairem Handeln. Am Montag, 27. Mai besuchte im Vorfeld der Gemeinderatssitzung ein Großteil der Gemeinderäte die Ausstellung, um sich gleich anschließend mit den Vorhaben des Gemeindearbeitskreises Fairtrade zu beschäftigen. Es gab große Zustimmung für das Vorhaben, dass die Gemeinde ihre übernommenen Selbstverpflichtungen in Zukunft mit Engagement umsetzen sollte. Am 7. Mai referierte Ernst Gassner, der Obmann der Arbeitsgemeinschaft aller Weltläden Österreichs, vor interessiertem Publikum im Sitzungssaal des Rathauses.

Geschichte der Weltladenbewegung und aktuelle Herausforderungen waren sein Thema. Obwohl heute 90 Prozent aller Fairtrade-Produkte bereits über Supermärkte vertrieben werden, bleibt für die Weltläden als Fachgeschäfte des fairen Handels seiner Meinung nach auch in Zukunft viel zu tun.

Neue Kundenschichten anzusprechen, hochwertige Beratung und Hintergrundinfos liefern, den direkten Kontakt zu den Produzentenorganisationen pflegen und mit innovativen Betrieben die Umstellung ihrer Produktpalette auf Fairtrade zu initiieren, das seien wichtige Missionen, so Gassner. 

Am Schlusstag der Ausstellung besuchten Schüler/innen der 3. Klasse NWMS Waidhofen den Workshop „Götterspeise Kakao“ im Rothschildschloss. Sie konnten die 11 Schritte zur Schokolade anschaulich nachvollziehen, sie erfuhren über die Schatten des globalen Kakaobusiness wie die Kindersklaverei auf den Plantagen der Elfenbeinküste, sie verkosteten faire Bioschokolade und reisten filmisch zu den engagierten Genossenschafter/innen von El Ceibo nach Bolivien.

Das ganze Bildungsprogramm in den öffentlichen Räumen war eine deutlich wahrnehmbare Visitenkarte der Fairen Gemeinde und ein gelungenes Beispiel der Kooperation mit dem örtlichen Weltladenteam.

Begrüßung beim Festakt im Gemeinderatssitzungssaal durch Vizebürgermeister Wührer.JPG
Begrüßung beim Festakt im Gemeinderatssitzungssaal durch Vizebürgermeister Wührer